Wie kann man am besten einen super Urlaub verbringen? Möglichst abseits von Touristenmassen oder Pauschalangeboten, dazu noch auf dem Rücken seines eigenen Motorrades? Man ruft einfach seinen Kumpel in Schottland an und sagt zu ihm: "Ey, Alter, mach mal ein Zimmer frei. Wir wollen mit Vorkriegstechnik die Highlands erkunden!" Schon hat man einen außergewöhnlichen Trip vor sich.
Meine Moto Guzzi Le Mans (Bj. 79) ist bepackt. Es kann losgehen. Kilometerstand: 125.833. Ziel der Reise ist das schottische Hochland. Uns begleitet Diddy mit seiner BMW R 75/6 (Bj. 76). Die hat 90.065 Kilometer auf dem Zähler.
Nach einigen Stunden langweiliger Autobahnfahrt erreichen wir mit den zwei alten Ladys Rotterdam Europort. Hier wollen wir die Fähre kapern, die uns nach Hull in England bringt.
Am anderen Morgen sind wir auf der Insel. Als erstes müssen wir feststellen, dass hier einiges verkehrt läuft. Die Insulaner fahren auf der falschen Straßenseite. Kein Wunder, denn sie lassen ihre Beifahrer ans Steuer und sitzen selbst untätig daneben.
Am ersten Tag in England begleitet uns der Regen. Stationen in Richtung Norden sind York, Darlington und Newcastle. An der Grenze zu Schottland suchen wir den Hadrians Wall. Er soll 120 Kilometer lang sein. Er ist aber trotz zahlreicher Beschilderungen nicht zu finden. Selbst britische Touristen fragen uns, ob wir ihn gesehen hätten? Natürlich nicht!
Der Mann bei McDonalds hatte recht: "Je weiter ihr nach Westen kommt, um so besser wird das Wetter." Wir überqueren die schottische Grenze und übernachten in Canonbie. Der Ort liegt ganz in der Nähe von Lockerbie, das durch einen Flugzeugabsturz traurige Berühmtheit erlangt hat.
Am nächsten Tag starten wir nach Edinburgh. Wir machen Station am Melrose Abbey, das auf Fotos immer so idyllisch aussieht. Von wegen idyllisch, die Ruine ist eingezäunt und liegt mitten in der Stadt. Wer sie besichtigen möchte, muss Pounds abdrücken. Wir machen ein paar Fotos durch den Zaun und fahren weiter.
Melrose Abbey
Edinburgh ist wie alle Großstädte - voll und nervtötend. Meine Kupplungshand schmerzt vom vielen Schalten. Nichts wie raus aus der Stadt und Kurven suchen.
Von jetzt an geht es Richtung Glen Coe. Vorher übernachten wir in einem Blockhaus, das aussieht wie ein Wig-Wam.
Wig-Wam-Blockhaus
Tags darauf durchqueren wir das Tal bei Glen Coe, wo seinerzeit die legendäre Schlacht stattfand. Kaum zu glauben, aber nach den Regentagen, die wir hinter uns haben, scheint tatsächlich die Sonne vom blauen Himmel.
Auf der 82 geht es weiter zum Loch Ness. Ich kannte es bisher nur von Fotos und aus dem Fernsehen als graues Loch mit wolkenverhangenem Himmel. Nun brüllt der Lorenz vom Himmel und Loch Ness sieht aus, wie der Möhnesee bei Sonnenschein. Ach ja, Nessie war natürlich gerade nicht Zuhause.
am Loch Ness
Nördlich von Inverness liegt Bonar Bridge. Hier wohnt Markus, der Auswanderer. Mit ihm machen wir eine Tour zur Westküste. Es geht nach Durness bei 12 Grad C Außentemperatur im Juni. Auf dem Weg liegt Ardverck Castle am Loch Assynt. Eine Ruine ohne "Touris".
Die Landschaft ist atemberaubend. Karge Hügel wechseln mit weißen Sandstränden. Immer wieder alte Ruinen. Das Dröhnen der Bikes ist meilenweit durchs "Nichts" zu hören. Gegend soweit das Auge reicht. Die einzigen, die man hier trifft oder besser nicht wirklich treffen sollte, sind die unzähligen Schafe. Die Galloways sind zum Glück eingezäunt.
Galloway mit Nachwuchs
Aber die Schafe liegen oftmals mitten auf der Straße. Von herannahenden Autos lassen sie sich nicht beeindrucken. Doch vom Donnern der Guzzi schrecken sie auf und suchen das Weite. Ich habe es ja schon immer gesagt, dass offene Dell'Orto-Vergaser in Verbindung mit ebenso offenen Lafanconis einfach mehr Verkehrssicherheit bieten!
Durness liegt an der Westküste ganz im Norden. Hier oben besichtigen wir eine Höhle. Ich treffe Leute aus meinem Nachbarort. Wo muss man eigentlich noch hinfahren? Zum Nachtquartier geht es zurück nach Bonar Bridge.
Hoch im Norden bei Durness besichtigen wir eine Höhle
Am nächsten Tag fahren wir mit Markus wieder Richtung Westen. Heute ist seine Frau Christine mit dabei. Unser Ziel ist Ullapool. Nach dem schon vertrauten "Fish and Chips", geht es weiter an der Küste entlang. Der Verkehr, wenn vorhanden, bewegt sich hier auf "Single Track Roads". Die Straße ist tatsächlich nur so breit wie ein Auto. Zum Glück hat sie alle 70 Meter eine Ausweichbucht.
im Hafen von Ullapool
Nach jeder Kurve verändert sich die Landschaft. Das lässt sich mit Worten kaum beschreiben. Man muss es selbst einmal mit dem Motorrad erlebt haben. Markus stürzt beinahe, weil eines dieser Schafe die Straße für sich alleine beansprucht.
Nach weiteren 350 Kilometern kommen wir zurück nach Bonar Bridge. Schnell noch in den Spar-Laden (wie bei uns Zuhause) und ein Zehnerpack geholt. Der Abend ist gerettet.
Am nächsten Tag muss Markus wieder arbeiten. Diddy und ich fahren alleine die Ostküste hinauf. Unser Ziel ist "John o'Groats", das letzte Haus in Schottland.
Das letzte Haus von Schottland
Auf dem Weg nach Norden besichtigen wir Dunrobin Castle. Ab jetzt ist Regenkombi Pflicht. Als wir in John o'Groats ankommen, regnete es immer noch. Die Sicht ist schlecht. Jetzt brauchen wir erst mal einen heißen Tee und Fish and Chips. Gibt es alles in der Imbissbude.
Nur einige Meilen westlich liegt Dunnet Head, der nördlichste Punkt in Schottland. Hier gibt es einen Viewpoint, von dem man einen herrlichen Blick auf die wilden Klippen der Küste hat. Leider nicht für uns. Wir stehen im Regen und der Nebel lässt nur eine Sicht von zirka 30 Metern zu.
Viewpoint konnte man gerade noch erkennen - sonst nichts!
Die Guzzi macht heute ein paar Probleme. Unterhalb von 3000 U/min. hat sie ständig Fehlzündungen. Zudem hat sich bei dem vielen Regen das linke Griffgummi gelöst. Ich muss mich während der Fahrt mit dem Daumen am Blinker festhalten. Und dabei nicht vergessen immer schön Gas zu geben, damit die Drehzahl nicht unter 3000 U/min. fällt. Trotzdem fühle ich mich heute prima. Nach 350 Kilometern im Regen erreichen wir abends wieder unsere Herberge.
Es ist Sonntag. Wir legen einen Ruhetag ein, um nach meinem Motorrad zu sehen. Vermutlich ist bei dem vielen Regen Wasser in den linken Vergaser gekommen. Also wird zunächst der Vergaser gesäubert. Bringt aber nichts. Der Hobel knallt immer noch.
Am Montagmorgen suchen wir zwei verschiedene Werkstätten in Inverness auf. Leider ist der schottische Service nicht sehr toll. Die gerade mal 20-jährigen Mechaniker sind nur mit ihren High-Tech-Trümmern beschäftigt und schicken uns wieder weg. "Die hätten sowieso nicht gewusst, was eine Guzzi ist", meint Diddy.
Etwas sauer fahren wir zurück ins Quartier, um der Störung selbst auf den Grund zu gehen. Beide Vergaser werden zerlegt, gesäubert und miteinander verglichen. Knallt immer noch. Na ja, es gibt ja noch andere Teile, die man abschrauben kann. Wir bauen den Tank ab, um an die Kontakte zu kommen. Und siehe da, Diddy hatte die richtige Idee. Einer der Kontakte öffnet nicht richtig und wird nachgestellt. Kaum zu glauben, was ein paar zehntel Millimeter so ausmachen. Jetzt läuft der V2 wieder wie ein Uhrwerk, nur etwas lauter.
So können wir uns beruhigt auf den Rückweg machen. Wir verabschieden uns von Christine, Markus und den Kindern. Da es uns an der Westküste sehr gut gefallen hat, bügeln wir wieder quer durch die Highlands und besuchen Appelcross. Hier ist Schottland besonders wild und die Berge sind hoch.
Wieder ziehen sich elend lange Single Track Roads durch das Gebirge. Es geht steil bergauf und im nächsten Augenblick wieder steil bergab. In der bisher wildesten Landschaft von Schottland wird die Aussicht immer schöner. Hinter jeder Biegung bekommt man neue Eindrücke. Man weiß gar nicht, wann man die Kamera auspacken soll.
Eilean Donan Castle
Weiter geht's am "Eilean Donan Castle" vorbei - wo seinerzeit der Highlander-Film gedreht wurde - zur Isle of Skye. Eine verträumte kleine Fähre setzt uns zur Insel über. Wir finden Bed and Breakfast bei Richard. Der bietet tatsächlich nur Bikern eine Unterkunft. "Bikers only", sagt Richard. "Mit Autofahrern hat man sowieso nur Stress."
Man beachte die Ladefläche der Fähre - sie ist drehbar!
Als wir am nächsten Morgen zu einer Inselrundfahrt starten wollen, regnete es wieder. Selbst die Berge haben sich hinter einer Nebelwand versteckt. Bei diesen Aussichten verzichten wir auf die Rundfahrt. Da die Wettervorhersage beim Frühstück schlecht ausfällt, packen wir die Bikes, um Richtung Süden aufzubrechen.
300 Kilometer im Regen bis Glasgow zeigen die Schwachstellen einer Regenkombi auf. Im Schritt wird es plötzlich nass und kalt.
Nach insgesamt fast 500 Kilometern kommen wir wieder in Canonbie an der schottischen Grenze an, wo wir unser erstes Bed and Breakfast hatten. Den ganzen Tag haben wir noch nichts gegessen. Wir sind immer nur gefahren, bis wir hier ankamen. Jetzt genießen wir Kaffee, Tee und jede Menge "Sweets".
Als am anderen Tag die Sonne am Himmel steht, geht es weiter nach England. Herrlich warm ist es und wir durchqueren den Lake Distrikt. Er wurde uns von einem netten Engländer am Abend zuvor empfohlen. Ein schönes Stück England, mit vielen Seen und der Passüberfahrt zum Yorkshire Dales National Park. Ein hübsches und abwechslungsreiches Tal, wie wir meinen. Und das, obwohl wir gerade aus den Highlands kommen. Und die sind, von der Schönheit der Landschaft her gesehen, kaum zu toppen.
Im Nationalpark übernachten wir zum ersten Mal in einer Jugendherberge. Wir bezahlen mit der Eurocard, weil wir kaum noch Pounds haben. Ein Spar-Laden versorgt uns am Abend mit Schwabbelbrot und Salami. Schmeckt auch nicht wie zu Hause.
Am nächsten Morgen haben wir noch Zeit Bolton Castle zu besichtigen, ohne dass Busse mit deutschen Touristen uns nerven. Von hier aus fahren wir nach Hull, um am Abend die Fähre nach Rotterdam zu bekommen.
Diesmal haben wir sogar eine Kabine mit Dusche. Nach dem warmen Tag in England und dem anstrengenden Verschnüren unserer Motorräder auf der Fähre, ist die auch notwendig.
Am letzten Tag der Reise müssen wir uns wieder daran gewöhnen rechts zu fahren. Auf den Autobahnen durch Holland schwimmen wir mit unseren 120 km/h noch stressfrei mit. Aber als wir in Deutschland sind, knallen sofort wieder die "Möchtegernschumis" an uns vorbei. Tja, auf deutschen Autobahnen fährt man wohl besser mit einer Hayabusa.
Ich möchte mich aber nicht mit diesen Mode-Motorrad-Fahrern vergleichen. Denn eines ist doch klar, wer noch nie in seinem Leben mit einer Guzzi Le Mans durch die schottischen Highlands gepoltert ist, geht als Jungfrau in die ewigen Jagdgründe ein.
Nach ziemlich genau 4.300 Kilometern sind wir wieder Zuhause. Wir sind stolz auf die Leistung unserer alten Ladys.
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