2003 - Jahrhundertsommer in Europa. Die Äcker trocknen aus und die Menschen schwitzen bei Temperaturen von 40 Grad und mehr. Kein Mensch braucht in diesem Jahr einen Urlaub in Südeuropa. Wenn Diddi und ich eine Tour planen, geht es sowieso in den Norden. Bisher immer mit Regengarantie. Dieses Jahr steht Finnland auf dem Plan. Wir wollen in Finnland so weit wie möglich nach Norden. Alles weitere wird sich finden. Ich fahre mit meiner
Super Tenere und Diddi mit seinem
HMO-Gespann.
Hier beginnt der Tourenführer für Leute, die sich von Eisdielenfahrern unterscheiden wollen. Diese Ochsentour beginnt im Kreis Herford, geht über Dänemark, Schweden, in Finnland bis Lappland, zum Norwegischen Eismeer am 71. Breitengrad. Als Rückweg wählen wir die E6 durch Norwegen mit einem Abstecher über die Lofoten und im Süden des Landes über die Trollstigen und am Geiranger Fjord entlang.
1. Tag:
Abfahrt in Spenge (Kreis Herford) am 26. Juli um 6 Uhr morgens. Kilometerstand bei der Super Tenere: 38.400. Wie bei jeder Tour in den hohen Norden beginnt auch diese mit einer langen Autobahnetappe. Die Sonne scheint und in der Nähe von Hannover haben wir bereits den ersten Stau. Später umfahren wir Hamburg und nehmen Kurs auf Puttgarden im Regen.
Eben noch in Deutschland, am Abend schon in Schweden
Für 27 Euro nehmen wir die Fähre nach Rödby (Dänemark). Dort schüttet es wie aus Eimern. Ich ziehe Regenhandschuhe über und schon hört es auf. Weiter gehts bis Helsingör auf die kleine Fähre (14 Euro) nach Helsingborg in Schweden. Nachmittags fahren wir noch eine Stunde in Schweden und mieten dann die erste Hütte.
Tachostand: 39.105
Tagesetappe: 705 km
2. Tag:
Es sind noch 500 km bis Stockholm. Eine reine Autobahnfahrt auf der E 4 durch Südschweden. Die Verbindungsetappe führt uns durch dünn besiedeltes, bewaldetes Gebiet. Wir fahren bei angenehmen 23 Grad ohne Regen.
Für eine heiße Suppe zum Mittag dürfen es auch ein paar Grad mehr sein ...
Im Hafen von Stockholm essen wir noch eine Hawaii-Pizza, bevor es zur Nachtfahrt auf die Silja-Fähre geht. Zu unserer Verwunderung werden die Motorräder nicht festgezurrt. Der Fährmann scheint viel Vertrauen in die Seetüchtigkeit seines Kahns zu haben. Die Nacht an Bord - ohne Kabine - ist mies. Ich kann nicht schlafen und wandere an Deck herum.
Tachostand: 39.605
Tagesetappe: 500 km
Gesamt: 1.205 km
3. Tag:
Pünktlich um 8.15 Uhr laufen wir am nächsten Morgen in Turku ein. In Finnland ist es bereits eine Stunde später als bei uns. Wie verlassen den Hafen auf der E 63 in Richtung Tampere. Hier im Süden ist die Strecke noch ziemlich langweilig. Später beginnt die Finnische Seenplatte mit tausenden von Seen. 188.000 sollen es in ganz Finnland sein. Wer sie sehen möchte, muss die Hauptstraßen verlassen und sich etwas Zeit nehmen. Im Vorbeifahren bekommt man sie nicht zu sehen. Die Bewaldung in der Nähe der Straße ist oftmals sehr dicht und läßt kaum weite Blicke zu.
Rast an einem der 188.000 Seen
Ab Jyräskylä treibt uns die E 75 nach Norden. Wir haben nur ein Ziel: Lappland. Wir tanken am Tankautomat in Pihtipudas und nehmen kurze Zeit später eine Hütte auf einem Campingplatz in Pyhäjärvi. Ihr seht schon, die finnischen Namen kann man weder schreiben noch lesen. Man weiß nie, ob ein Ort oder vielleicht ein See ausgeschildert ist.
Platz ist in der kleinsten Hütte - wenn man sie erst einmal gefunden hat
Unsere Hütte ist sehr klein, liegt aber am Ufer eines Sees. Supergeil. Wir essen auf der kleinen Veranda und später sitzen wir am See. Diddi übt sich schon mal im Goldwaschen. Er wird es später noch brauchen.
Tachostand: 40.099
Tagesetappe: 494 km
Gesamt: 1.699 km
4. Tag:
Um 6.11 Uhr werde ich wach. Eine gute Zeit um den Tag zu beginnen. Wir frühstücken auf unserer Veranda und können uns kaum vom Anblick auf den See losreißen. Plötzlich fliegt eine kleine Schwalbe in die Hütte. Wir zeigen ihr den Weg nach draußen und machen uns auf den Weg nach Oulo. Erst sind wir auf der E 75 unterwegs, nehmen dann aber die 20. Auch die hat uns zuviel Verkehr und wir schwenken auf die 849. Super Idee. Sie führt uns auf tollen Wegen durch die finnischen Wälder. Wir haben die Straße für uns alleine und ein paar Kurven gibt es hier auch. Diddi hatte sich beim Gespann auf den langen Geraden schon die Reifen kantig gefahren - haha!
Richtung Norden - auch mal mit einer Kurve
Auf der 849 macht sich die Tenere für mich bezahlt, weil plötzlich der Straßenbelag fehlt. Wir fliegen bei Quellwolken durch die Wälder. Die Tachonadel steht bei 110 km/h und der Drehzahlmesser zeigt 4500 U/Min. So fressen wir uns weiter durch Lappland. Hier wird Motorradfahren zur Vollkommenheit - denken wir, ohne zur ahnen, durch welche Landschaften wir noch wehen werden.
Wir fliegen weiter bis Rovaniemi, der „Arktischen Stadt“ am Polarkreis in Lappland. 2100 km haben wir bis hierher gefahren. Besonders arktisch fühlen wir uns allerdings nicht, denn es ist mit 25 Grad sehr sommerlich. Wir haben den Polarkreis erreicht, ohne einen Tropfen Regen in Schweden und Finnland.
Am Polarkreis hinter Rovaniemi
Auf dem Weg nach Tankavaara macht uns eine Rentierherde die Straße streitig. In dem kleinen Goldgräberdorf angekommen, beziehen wir eine Blockhütte mit offenen Kamin. Im Winter muß das klasse sein, jetzt brauchen wir ihn jedoch nicht. Morgen ist Goldrausch angesagt. Dann wird Diddi wahrscheinlich Gold waschen, bis ich ihn aus dem Fluß ziehe.
Tachostand: 40.731
Tagesetappe: 631 km
Gesamt: 2.331 km
5. Tag:
Heute geht es nicht direkt auf die Straße. Diddi ist ein passionierter Goldsucher. In jedem Gewässer, an das wir bei unseren nun schon 20.000 gemeinsamen Kilometern kamen, sucht er nach Gold und wunderlichen Steinen. Also müssen wir heute vormittag erst einmal das Goldmuseum besuchen und natürlich unter fachlicher Anleitung Gold waschen. Ich wasche eigentlich nur Lapplands Erde, Diddi hingegen hat Glück und findet drei Körner. Kein Scheiß, hier kann man wirklich Gold finden. Allerdings in winzig kleinen Mengen. Noch heute leben hier oben in Lappland Individualisten, die nach Gold suchen, auch wenn die Zeit des „Gold-Rush“ lange vorbei ist.
Goldgräbercamp in Tankavaara
Diddi packt der Goldrausch. Er sagt so komische Sachen wie: „Könntest Du Dir vorstellen allein nach Hause zu fahren?“ Ich mache mir ernsthafte Sorgen um ihn. Gegen Mittag ziehe ich ihn aus dem Wasser und schnalle ihn auf sein Gespann ;-)
Die Eismeerstraße (E 75) bringt uns weiter Richtung Norden nach Ivalo. Hier oben wird die Gegend richtig super, die Landschaft karger. Wir fliegen allein durch dieses herrliche Gebiet. Die Sonne scheint. Es ist gigantisch, bei 20 Grad durch den nördlichsten Teil von Lappland zu wehen. Schöner kann Motorrad fahren nicht sein (doch es soll noch besser kommen).
Die kargere Landschaft läßt schon eher mal einen Blick zur Seite zu
In Ivalo wird unser Proviant im Spar Market wieder aufgefüllt. Wir spekulieren immer darauf, beim Wechselgeld kleine Centmünzen zu bekommen. Münzsammler im Bekanntenkreis hatten uns aufgetragen, doch mal in Finnand nach den kleinen Centwerten zu sehen. Sie seien bei uns sehr schlecht zu bekommen. Doch selbst in der Bank gibt es keine finnischen Kupfer-Euros. Sie sind nämlich gar nicht im Umlauf. Die werden nur in einem speziellen Laden in Inari verkauft.
Auf dem Weg dorthin kreuzen zahlreiche Rentiere die Straße und zwingen uns achtsam zu sein. Also Füße von den hinteren Fußrasten und bremsbereit sein. Selbst ein Elch läßt sich kurz sehen, verschwindet aber bei unserem Anblick gleich wieder im Unterholz.
Mit Rentieren auf der Straße muss man immer rechnen
In Inari kaufen wir Cent-Münzen für die Sammler daheim. Die nette Dame im Shop sprich deutsch und sagt uns, wo die schönsten Landschaften zu finden sind. Also planen wir den Berlevagfjord am Eismeer ein.
Auch Gamvik empfiehlt sie uns. Zunächst aber besuchen wir den von ihr erwähnten Wasserfall in Neiden, kurz nach dem Grenzübergang zu Norwegen. Lachse springen dort die Stromschnellen hinauf, um zu ihren Laichplätzen zu gelangen. Dabei müssen sie bis zu 3 Meter hohe Stufen überwinden. Wahnsinn!
Seit wir wieder in Norwegen sind, haben wir eine alte Bekannte unter den Rädern. Die E 6 sind wir auch schon 2001 Richtung Hammerfest gefahren. Damals hatte es meist geregnet, heute bei Sonnenschein, ist sie traumhaft. Wir befahren die schönste, vielleicht einzige Wildnis in Europa. Immer am Varangerfjord entlang, bis wir in Skipagurra eine Hütte mieten.
Tachostand: 41.092 km
Tagesetappe: 361 km
Gesamt: 2692
6. Tag:
Es ist kaum zu glauben, aber auch heute beschert uns der Himmel super Motorradwetter. Die Sonne scheint und es sind angenehme Temperaturen. Die 890 bringt uns über die norwegischen Tundren nach Berlevag ans Eismeer. Man kann es nicht mit Worten beschreiben. Es ist ein absoluter Traum über die kargen Hochplateaus zu fliegen. Schade, das den meisten Bikern dieses Gefühle ewig verborgen bleiben wird. Unsere Bikes haben uns an das nördliche Ende Europas gebracht. Sie haben sich durch Dänemark, Schweden, Finnland (mit seinem herrlichen Lappland) und durch die norwegischen Trundren gefressen ohne zu mucken. Außer uns waren oft nur die Rentiere unterwegs. Heute wurde eines sogar zum „Renntier“ und läuft mit uns um die Wette. Es sieht in uns wohl einen Rivalen und für einen Augenblick scheint es so, als wolle es mit seinem Geweih auf und los gehen.
Am weißen Strand vom Kongsfjord ist eine ganze Herde dieser gehörnten Gesellen. Ich verlasse mit der Tenere die Straße und fahre zum Strand. Bei meinem Anblick verschwinden die Tiere, um kurze Zeit später für einen Fototermin wieder aufzutauchen.
Rentiere (hinten) am weißen Strand des Eismeeres
Wir tanken in Berlevag, wo man uns wie Marsmenschen ansieht, und fahren noch kurz zum Hafen. Auch hier im Hafen laufen die Rentiere völlig frei herum. Dann geht es die gleiche Strecke wieder zurück. Eine andere Straße gibt es hier nicht. Mittags suchen wir uns eine schöne Stelle zum Essen und zum Sonnen. Sonnen hinter dem Polarkreis am weißen Strand des Eismeeres. Damit haben wir nicht gerechnet. Den letzten Schauer Regen hatten wir in Dänemark.
Wir nehmen Kurs auf Gamvik, der Ort mit dem nördlichsten, auf dem Festland stehenden Leuchtturm Europas. Er steht am 71. Breitengrad (71°05‘33“). Höher wird es uns mit unseren Motorrädern wohl nie wieder bringen. Es begingt zu regnen und wir beziehen für die kommende Nacht unsere nördlichste Hütte. Eine Riesenhütte. Jeder hat sein eigenes Zimmer.
Der nördlichste Leuchtturm auf europäischem Festland steht in Gamvik
Gamvik liegt auf der Nachbarhalbinsel, östlich vom Nordkapp, das wir wegen dem Touristenrummel meiden. Wir sind lieber allein. Und das sind wir hier oben. Keine Touris, keine Videokameras. Gamvik ist ein kleines Fischerdorf, in das sich keine Reisebusse verirren.
Das hier die Uhren anders laufen, bemerken wir an den Öffnungszeiten der Läden. Post und Tankstelle öffnen erst um 10 Uhr am Vormittag und schließen um 16 Uhr bereits wieder. Nicht auf Touristen eingestellt.
Abends legen wir dann die weitere Route fest. Wir entschließen uns, da wir in Finnland genügend Wälder durchquert haben, die E 6 durch Norwegen zu nehmen und einem Abstecher auf die Lofoten zu machen. Damit haben wir uns eine echte Ochsentour vorgenommen.
Bei der andauernden Mitternachtssonne träumen wir von Norwegen und schauen vom Fenster aus mitten in der Nacht aufs Eismeer. Hierher zu kommen war unser Traum. Wir haben ihn uns erfüllt.
Tachostand: 41.588
Tagesetappe: 495 km
Gesamt: 3.188 km
7. Tag:
Der gestrige Schauer war nicht von Dauer. Also geht es bei Sonnenschein wieder zurück zur E 6. Nach 12 km Schotterpiste haben wir eine tolle Asphaltstraße vor uns. Eine Kurve jagdt die nächste. In Mehamn tanken wir und versorgen uns mit Norwegischen Kronen. Wir treffen ein deutsches Wohnmobil mit einem australischen Ehepaar, das in einem Jahr ganz Europa bereisen möchte. So viel Zeit müßte man haben.
Auf der E 6 fahren wir nun in entgegengesetzter Richtung wie vor 2 Jahren. Wir lassen Hammerfest links liegen und haben nachmittags auch zeitweise E 6-Wetter. Es regnet.
Nach einem Regenschauer nehmen wir die einzige, noch freie Hütte: ein Neubau ohne Strom
Wir erinnern uns sogar an die eine oder andere Stelle auf der E 6, wo wir 2001 Fotos gemacht haben. Ich mache mit der Tenere an der gleichen Stelle Fotos, wo zwei Jahre zuvor die Z1000 stand. Dann suchen wir uns eine Hütte in Storvik.
Tachostand: 42.157
Tagesetappe: 569 km
Gesamt: 3.757 km
8. Tag:
Wolken ziehen auf über der E 6. Am Vormittag regnet es kurz und kräftig. Sonne und Wolken wechseln ständig. Jeder Fjord hat sein eigenes Wetter. Faszinierend auch zu sehen, wie die Fjorde bei Sonne oder Wolken türkisfarben leuchten. Auch die Barentsee, das Eismeer, ist glasklar. Selbst das Wasser im Hafen von Berlevag.
Nach jeder Biegung neue Eindrücke
Langsam haben wir uns auf das Kurvenjagen um die Fjorde eingeschossen. Die Tenere summt leise ihr Lied unter mir und trägt mich tausende von Kilometern. Sie frißt die Kilometer unter sich weg, ohne sich zu beklagen. Es scheint ihr richtig Spaß zu machen, die Welt zu erobern. Nach jeder Kurve beschleunigt sie mit ihrem Enduro-typischen Sound aus den Kehren heraus. 1000 Kurven, rauf und runter, geht es.
Am frühen Abend nehmen wir die Fähre auf der E 10 von Melbu nach Fiskeböl. Auf den Lofoten fahren wir von der E 10 eine Nebenstraße und finden einen herrlichen Campingplatz in Sandsletta, direkt am Fjord. Dort sitze ich abends am Steg simse meiner Anja nach Hause und schreibe den Reisebericht.
Hier scheint die Sonne auch nachts
Die weitere Tour will besprochen werden. Wir beschließen, im Süden noch den Trollstigen und dem Geiranger Fjord einen Besuch abzustatten.
Tachostand: 42.722
Tagesetappe: 565 km
Gesamt: 4.322 km
9. Tag:
Heute gilt es die Lofoten zu erkunden. Sie sind eine kleine Traumwelt für sich. Jetzt verstehen wir, was die Leute mit Spielzeugwelt meinen. Die hohen Berge, die breiten Fjorde und die kleinen Holzhäuser sehen märchenhaft aus, wenn man von oben in ein Tal hinein schaut.
Häuser als bunte Farbtupfer in grüner Landschaft
Diddi findet auf der Landkarte natürlich eine Abkürzung, die prompt in einer Sackgasse endet. Aber die Strecke ist eine Wucht, felsige Landschaften, die in einen herrlichen Fjord hereinreichen. Und das kleine Fischerdörfchen am Ende ist sehenswert. Total idyllisch hier. Es lohnt sich doch, hin und wieder die Nebenstraßen zu nutzen.
Keine Sprungschanze, sondern eine Bogenbrücke zum Hafen am Ende der Sackgasse
Als nächstes biegen wir in eine weitere Seitenstraße ab, Richtung offenes Meer. Die Ruine einer Radarstation von 1943 gibt es hier zu sehen. Der Blick aufs Meer und den weiten Horizont - einfach herrlich - und hinter uns liegen die Berge. Ich ziehe mich sommerlich an und werde am nächsten Fjord schon vom arktischem Sommer überrascht.
Kürzer kann ein Ortsname nicht ausfallen - aber im Hafen kann man gut übernachten
Es wird kalt und naß bis wir abends in Å, am südlichen Ende der Lofoten ankommen. Wir übernachten in einer Hütte am Hafen. Sie ist toll eingerichtet. Küche, Fernseher und Dusche inklusive. Diese Hütten nennt man hier „Rorbuer“.
Tachostand: 42.943
Tagesetappe: 220 km
Gesamt: 4.543 km
10. Tag:
Auf den Lofoten regnet es und wir nehmen um 10.15 Uhr die Fähre nach Bodø. Starker Wind peitscht über die See und der Kahn schaukelt wie verrückt. Zu Anfang finde ich es noch ganz lustig. Später lege ich mich auf eine Bank an Deck und traue mich nicht mehr aufzustehen. Mein Magen rebelliert. Als es zu regnen beginnt, gehen wir kurz unter Deck, flüchten aber gleich wieder nach draußen. Hier drinnen hätten wir bestimmt alles vollgekotzt. Also lege ich mich wieder auf meine Bank und warte bis alles vorbei ist. Ich friere, traue mich aber nicht, mich zu rühren. Der Kahn schaukelt dermaßen, dass ich fast von der Bank falle. Diddi steht nun schon seit Stunden an einem Pfeiler und schaut aufs weite Meer. Seine Art von Streßbewältigung. So viel Spaß für 205 Kronen.
In Bodø angekommen muß ich erst einmal Motorradfahren, um meinen Magen zu beruhigen. In Fauske essen wir 60 km später eine Riesenpizza. Danach sind wir wieder die Alten. Am späten Nachmittag überqueren wir den Polarkreis. Die Norweger haben die E 6 am Polarkreis über ein wunderschönes Hochplateau gelegt. Eine Strecke, die in ihrer Schönheit kaum zu überbieten ist. Schon beim ersten Mal mit der Z 1000 hatte ich hier ein richtiges Glücksgefühl. Immer wenn man glaubt, die schönste Landschaft gesehen zu haben oder die schönste Strecke gefahren zu sein, überrascht Norwegen von neuem.
Es ist sehr kalt hier oben am Polarkreis und Anja sagt am Telefon, in Deutschland seien über 30° C.
Kurz hinterm Polarkreis finden wir eine Hütte direkt am Fluss
Unsere heutige Hütte haben wir einige Kilometer unterhalb des Arctic Circle. Direkt am Fluß gelegen mit grandioser Aussicht aus dem Fenster. Im Hintergrund liegt ein schroffer Berg. Das ganze Szenario könnte in den Rocky Mountains sein. Obwohl der Campingplatz nur etwas tiefer liegt als der Actic Circle, ist es hier wieder deutlich wärmer.
Tachostand: 43.128
Tagesetappe: 184 km
Gesamt: 4.728 km
11. Tag:
Nach ausgiebigem Frühstück (mit Ei) am Fenster unserer Flußhütte, fahren wir bei Sonnenschein weiter die E 6 hinunter Richtung Trondheim. Die dicken Klamotten sind heute wieder angebracht. Später läßt das norwegische Wetter wieder ein paar schwarze Wolken auf uns los, die ihren Inhalt auf uns ergießen.
Heute ist Kilometerfressen angesagt. Die Gegend um Trondheim ist öde und wir schwimmen mit im Schwerlastverkehr.
Am Abend ist das Wetter wieder super als wir eine Hochebene 200 km südlich von Trondheim überqueren. Nach längerem Suchen finden wir eine Hütte auf einer dieser Hochebenen, auf einem Campingplatz bei Furuhaugli, kurz vor Dombas.
Hier wird die Sonne gleich hinter den Hügeln verschwinden
Nach 5.400 km sieht der Hinterreifen der Tenere ziemlich abgewetzt aus. Der Asphalt in Skandinavien frisst reichlich Gummi.
Tachostand: 43.862
Tagesetappe: 734 km
Gesamt: 5.462 km
12. Tag:
Wohl wissend, wie kalt Norwegen sein kann, ziehen wir uns warm an und nehmen nach einigen Kilometern die E 136 Richtung Trollstigen. Trolle, Elfen und Co. waren in der nordischen Mythologie schon seit je her bekannte Wesen. Überall in Norwegen findet man kleine aufgetürmte Steinhäufchen, die von den Menschen zur Besänftigung der Trolle errichtet werden. Die Trollstigen sind die Wege (Stigen = Treppen) der Trolle. Schon der Weg dorthin ist toll. Man fährt wie auf einer Galerie und schaut auf die kleinen Häuser unter einem.
Anfahrt zu den Trollstigen, die sich nicht so leicht komplett aufs Bild bannen lassen
Die Trollstigen selbst sind der Hit. Elf scharfe Kehren schrauben sich mit ca. 12% Steigung am Berg hinauf. 1. Gang, 2, Gang und wieder runterschalten. Ich schaue besser nicht nach unten. Die Tenere kennt keinen Schwindel und zieht uns den Berg hoch. Von oben hat man eine Traumaussicht in das Tal. Auch nach den Trollstigen geht es in der Höhe traumhaft weiter. Eine Landschaft, die man nicht beschreiben kann.
Blick in den Geiranger-Fjord mit "Modellschiff"
So geht es bis zum Geiranger Fjord. Von oben kann man in den Fjord hineinschauen. Ein Schiff im Fjord sieht aus wie Spielzeug. Dann schraubt man sich in tausend Kehren wieder den Berg hinab bis nach Geiranger. Hier unter ist es sehr warm und wir ziehen die dicken Sachen aus. Dann geht es die 15 weiter und später die 51 wieder runter. Es ist nicht zu glauben, was diese Straße alles bietet. Berge, Wälder, Flüße und sogar Hochebenen, auf denen die Temperatur min. 15° C kühler ist. Rattenkalt hier oben. Norwegen ist fast überall eine Wucht. Ein Traum für Biker. An der 51 in Skedbergo finden wir unser Hütte für die Nacht.
Tachostand: 44.312
Tagesetappe: 450 km
Gesamt: 5.988 km
13. Tag:
Auf der Hochebene ist wieder Sommer angesagt. Wir rauschen die 51 bis Fagerness dann die E 16 nach Hönefoss runter. Die 35 bis Kongsberg und das letzte Stück begleitet uns die 40 bis Lavik. Die Gegend ist landschaftlich o.k. - das Sauerland läßt grüßen. Im Hafen von Lavik haben wir Glück und bekommen noch die Fähre nach Fredrikshafen in Dänemark. 10 Minuten später legt die Peter Wessel der Colorline ab.
22 Uhr Ortszeit verlassen wir die Fähre in Dänemark. Es ist schon fast dunkel hier. Ein Zustand, den wir gar nicht mehr kennen. Da wir frisch und ausgeruht sind, entschließen wir uns nachts zu fahren. Tagsüber sollen wieder 35 Grad herrschen. Das müssen wir uns nicht antun. Bei angenehm kühlen Temperaturen fahren wir durch Dänemark. Diddi auf der rechten Spur, ich auf der linken. Beide mit eingeschaltetem Fernlicht, so fliegen wir über die leere Autobahn. Dänemark lassen wir schnell hinter uns. Um 4 Uhr morgens durchfahren wir mutterseelenallein den Elbtunnel. Um 7 Uhr stehe ich mit Brötchen vor meiner Haustür und werde gleich mit meinem Schatz Anja frühstücken.
Tachostand: 45.403
Tagesetappe: 1.091 km (ohne Brötchen holen, is klar!)
Gesamt: 7.003 total geile Kilometer
Was noch zu sagen wäre:
Es wird mit Sicherheit nicht da letzte Mal gewesen sein, das wir unsere Bikes durch Wind und Wetter getrieben haben. Bei diesen Reisen zählt für uns hauptsächlich das Motorrad fahren. Wenn es dann noch in so tollen Landschaften geschieht, die über dem Polarkreis zu finden sind, um so besser. Je weiter desto besser.
Man muss sich nur zu helfen wissen ...
Unsere Bikes haben super durchgehalten. Das Gespann wollte lediglich ein Auspuffrohr abvibrieren, was Diddi aber mit Phantasie reparieren konnte. Er wickelte einfach einen Einweggrillrost drumherum und zog diesen mit einem Draht fest. Hält für die nächste Eismeer-Tour.
Einige Eckdaten:
4 Länder durchquert
7003 km in 13 Tagen - durchschn. 538,70 km/Tag
7 Fähren genutzt
ca. 400 Liter Sprit verbraucht
200 ml Öl
1 Hinterreifen
und das wichtigste, immer super Wetter zum Biken gehabt.
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